1. Physiologische Grundlagen

 

Geht man davon aus, dass ein solch langbeiniges Fluchttier, wie ein Pferd, sein Überleben hauptsächlich durch Flüchten sicherstellen kann, erscheint es durchaus naheliegend, dass es  dazu einen jederzeit zu Höchstleistungen einsatzbereiten, funktionstauglichen Körper benötigt.

 

In der Folge orientiere ich mich an Prof. von Rautenfelds Ausführungen in seinem Buch „Manuelle Lymphdrainage beim Pferd“.

 

Dem Pferd steht mit seinem Lymphsystem, das sich in – vereinfacht – zwei Komponenten aufteilt, und seinen ca. 8.000 Lymphknoten ein effektives Drainage- und Filtersystem zur Verfügung.

 

 

 

                1.1 Oberflächliches Lymphsystem

 

Das Lymphsystem der Haut wird im Sinne dieser Arbeit als oberflächliches Lymphsystem verstanden.

Dermale Kollektoren "Sammelgefäße" besitzen keine glatten Muskelzellen, dafür aber Myofibroblasten und einen hohen elastischen Wandanteil.
Da in den dermalen Kollektoren reguläre glatte Muskelzellen fehlen, fällt dem elastischen Wandanteil von nahezu 40% eine besondere Bedeutung für die Lymphdynamik zu.

 

 

                1.2 Tiefes Lymphsystem

 

Subfaziale Kollektoren sind die tief verlaufenden Kollektoren, deren Wandaufbau sich durch eine größere Anzahl glatter Muskelzellen unterscheidet, die im Gegensatz zu den oberflächlichen Kollektoren als kontinuierliche und mehrschichtige, glattmuskuläre Gefäßwandpumpe agiert.

 

 

 

1.3 Zusammenwirken

 

Eine Kommunikation zwischen den beiden Systemen ist bisher medizinisch nicht geklärt.

 

Aus der Praxis und der Zusammenarbeit mit dem geowissenschaftlichen Institut der Ruhruniversität Bochum unter der Leitung von Dr. Kaspar Fischer (Seismologe) deutet sich die Vermutung an, dass ein Primärimpuls in vertikaler Richtung und weitere Vibrationsimpulse in horizontaler Ausrichtung offensichtlich den Transport von der Oberfläche in die Tiefe und somit die Verstoffwechselung durch Anschluss an das Blutgefäßsystem initiieren.

 

Ob vielleicht sogar eine Kommunikation über fasziale Strukturen hinsichtlich der Steuerung von Regulationsmechanismen über Vibrationsmuster stattfindet, wäre sicherlich medizinisch untersuchenswert.

 

 

2. Flucht und Lymphfluss

 

                2.1 Das Pferd als Fluchttier

 

Jede Flucht bedeutet einen immens hohen Kraftaufwand. Zu beobachten ist, dass z.B. freilebende Rehe verharren und ihr Fluchtverhalten situationsgebunden anpassen. Bei Pferden variiert das Fluchtverhalten anscheinend mit dem Stauungsgrad. Unabhängig von Rasse und Temperament verhalten sich Pferde aufmerksam, neugierig, gespannt aber „souverän“ abwartend gegenüber Störfaktoren.

 

Als körperliche Fluchtvorbereitungsmaßnahmen sind folgende Verhaltensweisen zu beobachten:

 

- Atmung: wenig Inspiration "Einatmung", aber geräuschvolle, stoßhafte Expiration "Ausatmung" mit deutlich gedehnten
   Nüstern und angespanntem Ohrenspiel verbunden mit einem ruckhaften Zucken durch den gesamten Körper und plötzlichem Auftreten :

 

- eines deutlich festen Hauttonus,    Blutgefäße zeichnen sich ab. - Auch ein Hinweis auf Platzmangel durch Raumforderung ??

 

- des Abgasens oder Absetzens von Kot, oft auch in flüssiger Konsistenz

 

- von extremer Schweifanspannung

 

Sobald die Einschätzung der Lage eine Flucht als unnötig ergeben hat, widmen sich die Tiere erneut wieder der Futteraufnahme, oft auch direkt der Fellpflege oder der reiterlichen Anforderung.

 

Die vorrangig von mir beobachteten Pferde mit dauerhaft bestehenden festem Hauttonus und eingeschränkter Zitteraktion zeigen ein deutlich verändertes Fluchtverhalten. Oftmals ohne ersichtlichen Grund, geradezu kopflos, erfolgen massive Panikaktionen, die jeglicher Übersicht und körperlicher Achtsamkeit entbehren.

 

Es stellen sich die folgenden Fragen:

 

  1. Erzeugen Stauungen im Pferdekörper über die körpereigene Wahrnehmung der eingeschränkten Fluchtmöglichkeit Dauerstress?
  2. Wäre die provozierte Flucht eine Möglichkeit für den Fluchttierkörper - autoregulativ - vorhandene, partielle Defizite auszugleichen
  3. Ist die bei generalisierten langfristig bestehenden Stauungen auftretende Faulheit bzw.
  4. Bewegungsunlust verzögerte bis gänzlich fehlende Fluchtbereitschaft (Apathie), Schmerzreaktion oder Depression (fehlender Überlebenswille)?

 

                2.2 Die Haut (oberflächliches Lymphsystem)    Bedeutung des Zitterverhaltens :

 

Im Verlauf der eingangs erläuterten Versuche, die Hautreaktion durch eine filigran ausgeführte Berührung mit dem Finger auszulösen,

war eine deutliche Veränderung des Zitterverhaltens erkennbar. Ich habe bevorzugt Tiere unterschiedlichsten Alters, Geschlecht, Rasse, Ausbildungszustands, Verwendung und Haltungsbedingungen aber mit festem Hauttonus und eingeschränktem Zitterverhalten bzw. Abwehrreaktionen ausgesucht.

 

Fein dosierte Impulse erreichten erstaunliche Reaktionen bei den zunächst wehrigen Tieren. Viele von ihnen, unabhängig von Geschlecht und Alter, begeben sich begleitend zu dem ausgelösten Zitterreiz in eine sägebockartige Dehnungshaltung oder pressen sich vehement mit der Hinterhand gegen einen festen Gegenstand (Box, Baum) ,wobei man kontraktile Bewegungen im Bauchbereich, den Flanken und der Hinterhand deutlich erkennen kann.

 

Je öfter ich den Zitterreiz auslöste, desto weniger spektakulär verlief die Reaktion. Je spontaner die Zitterantwort erfolgte, desto entspannter wurde das Tier, was die Vermutung nahelegt, dass der Reiz erstens trainierbar ist und zweitens in seiner Selbstverständlichkeit eine Notwendigkeit beherbergt.

 

Auch herabfallende Blätter, Abtropfkanäle mit Tropfenbildung nach Regen im nassen Fell und Tautropfen von geschmolzenem Schnee erzeugen das Hautzittern.

 

Der Hauttonus der von mir gezitterten Tiere veränderte sich von fest und prall, zu weicher und elastischer. Die hohe Geschwindigkeit mit der diese Veränderung einherging, lässt für mich nur den Schluss zu, dass es sich um Flüssigkeit handeln muss, die an der Körperoberfläche „ins Stocken“ geraten war.

 

Für meine Beobachtungen sind der Hauttonus und die Hautverschieblichkeit die Hauptstauungsindikatoren. Veränderungen der Fütterung, Atmung, Verdauung, Bewegung und Medikation haben unmittelbar auch eine Veränderung der Hautspannung (Tonus) zur Folge.

 

 

Lymphwege (Abb. entnommen aus Hermann Baum, Das Lymphgefäßsystem des Pferdes, Berlin, 1928) und physiologisch primäre Schweißbilder

 

 

2.3 Dehnung der Körperoberfläche                                  Autoaktiver Behelf der Pferde zur Entstauung

 

 

Unabhängig von der heutigen Nutzung der Tiere bleibt das Grundkonstrukt Fluchttier erhalten, somit auch das Bestreben, dem Fluchtkörper uneingeschränkt gleitende, verletzungsvermeidende Bewegungsfähigkeit zu erhalten. Die von mir im Stall und auf der Wiese beobachteten Pferde zeigten wiederholt Verhaltensweisen wie

 

- mit Hinterbeinen oder Vorderbeinen im Loch stehen (auch bei Eseln beobachtet)

 

- Sägebockhaltung

 

- Rückwärtiges Drücken an die Boxenwand (größenabhängig mit Affektion des Schweifes)

 

- Sitzen auf dem Futtertrog oder der Tränke auch mit Bauchpresse (Muskelkontraktion)

 

- gegenseitiges Beknabbern des Widerristbereichs mit Zugrichtung auf den Bereich der oberflächlichen Halslymphknoten

 

- gegenseitiges Beknabbern der Kruppe mit Zugrichtung auf den Bereich der oberflächlichen Flanken - Lymphknoten

 

- Beknabbern der Schweifrübe führt zu Kontraktionsbewegungen und Hüftbeugung

 

 

Alle gezeigten Verhaltensweisen stehen offensichtlich mit einer provozierten Oberflächendehnung im Zusammenhang und lassen einen Rückschluss auf naturgegebene physiologische Entstauungsmechanismen zu.

 

Laut Aussage von Prof. von Rautenfeld stehen freilebende Przewalski-Pferde in Kasachstan im meterhohen Schnee fast bewegungsunfähig bei Temperaturen zwischen -20° bis -40° Celsius ebenfalls in einer Sägebockhaltung.

 

Gemäß seiner Natur ist das Fluchttier ein Kompensationskünstler, d.h. defizitäre physische Zustände werden verlagert und treten oftmals erst nach Monaten oder Jahren als manifeste Dauerschäden auf. Hinweise auf latente partielle Störungen zeigen sich nur schleichend und unspezifisch.

 

Der physiologisch dreidimensionale Schritt als Hauptfortbewegungsart fordert eine Dehnung des Körpers in horizontaler, vertikaler und lateraler Richtung. Des Weiteren fördern die fortwährende Rechts-Links Pendelrupfbewegung beim Grasen mit gedehntem Hals, das rhythmische Abschnauben mit vorgestrecktem Hals und Nase und das Abgasen mit dem wiederholten Anheben des Schweifes die Dehnung der Körperoberfläche. Als größter „Dauerdehner“ der Haut bzw. Köperoberfläche ist sicherlich die Atmung zu nennen.

 

Taktile Reize in Form von Fliegen, Blättern, Regen und die Berührung von Artgenossen haben mit der Zitterantwort einen unmittelbaren Einfluss auf die Dehnung der Hautoberfläche.

 

Bei Rindern in winterlicher Gruppenstallhaltung ist zu beobachten, dass taktile Reize über die rauhe Zunge an Artgenossen weitergegeben werden, aber ebenfalls die Möglichkeit über extreme Wende- bzw. Drehfähigkeit des eigenen Kopfes besteht, auf dem eigenen Körper im Bereich des Widerrists Zitterreize auszulösen, die sich über die gesamte Diagonale des Rindes erstrecken.

 

Ferner wirken die Aufwölbung des Rückens und der Lendenwirbelsäule beim Äppeln, die Sägebockstellung beim Urinieren und das bevorzugte Stehen auf unterschiedlichen Ebenen (falls vorhanden). Das Einnehmen einer Dehnungshaltung (hinten rausstehen) kann auch beim Putzen, bei der Fellpflege mit Artgenossen, beim Schmied, bei der Injektion von verschiedenen Medikamenten und als Reaktion auf manipulative Eingriffe von Physiotherapeuten, Osteopathen etc. beobachtet werden.

 

 

 

2.4 Der Verdauungstrakt (tiefes Lymphsystem)                        Woran erkenne ich gestörtes Zitterverhalten  : 

 

 

Den Großteil der Lebenszeit muss das langbeinige Fluchttier mit der Aufnahme von pflanzlicher Nahrung verwenden. Stoffwechselprozesse bedingen auch einen großen Anteil der Gesamtkörperlymphe stationär im Verdauungstrakt. Die Vorstellung einer lebensnotwendigen Flucht mit der Hauptflüssigkeitsmenge in den Eingeweiden erscheint einigermaßen unpraktisch.

 

Einen kausalen Zusammenhang ergeben folgende Beobachtungen:

 

Direkt nach intensiver körperlicher Aktivität wie Springtraining, Galopprennen oder scharfen Geländeritten ist immer ein fester Hauttonus zu fühlen. Sobald das Tier wieder im Ruhemodus ist und sich mit der Futteraufnahme beschäftigt, sinkt der Spannungstonus der Haut und sie zeigt sich wieder verschiebbar.

Zu beschleunigen ist dieser offensichtlich physiologische Vorgang über taktile Reize (z.B. Stroh auf dem Rücken, freie Bewegung, Zittermanipulation).

Zu hemmen ist dieser Vorgang über das Aushebeln von Dehnungsreizen (z.B. Anbinden), das Aufbewahren des Pferdes auf Spänen ohne Rauhfutter oder durch Verhinderung des Zitterreizes z.B. durch

 

- Decken (auch Fliegendecken)

- Fehlen von Wasserablaufrinnen mit Tropfenbildung durch Nutzung von Schweißmessern

- Verbot des Ganzkörperschüttelns (mit Sattel i.d.R. unterbunden durch Unsicherheit des Reiters)

- fehlendes Wälzen (hier werden Gewebeschichten gegeneinander verschoben)

- fehlende Fellpflege von Artgenossen

 

 

Pferde mit veränderten Zitterverhalten und einhergehenden Merkmalen eines generellen Oberflächenlymphstaus zeigen einheitlich besondere Verhaltensauffälligkeiten.

 

Zum Äppeln wird mehrfach erfolglos angesetzt. Die Pferde bremsen aus ihrer jeweiligen Gangart ohne eine über Muskelkontraktion erkennbare Äppelabsicht zu zeigen. Dieser Kotverhalt kann sich über die Dauer einer Reiteinheit hinziehen. Das finale Absetzen des Kots gestaltet sich aufwendig und unter anhaltendem Stöhnen (auch in der Box). Die Konsistenz der Pferdeäppel variiert hingegen abhängig von der Fütterung und lässt keinen Rückschluss auf lymphflussdynamische Verdauungsstörungen zu. Offenbar bleibt das verdauungs-physiologische Gleichgewicht trotz Flüssigkeitsverlagerung vorhanden.

 

Die Schwierigkeiten des Kotabsetzens sind somit wohl eher im Bereich der Spannung der Muskelketten zu suchen. Eine Raumforderung durch Flüssigkeitsansammlung im Bereich Muskel, Faszie, Zwischenzellraum oder Haut würde eine unangenehme Beweglichkeitseinschränkung (Zwangsjackenproblematik) begründen.

 

 

 

2.5 Gedanken und Beobachtungen zum Lymphabfluss des Kopfes  

 

 

Ein witterndes Pferd zeigt im Bereich Nüsternrand bis zum rostralen Rand des Nasenbeins ein pulsierendes Flackern unter der Hautoberfläche im Verlauf des Musculus canius (Eckzahnmuskel). Als Folge des Umweltabgleichs - ohne Gefahrenpotenzial - erfolgt ein Abkauen (Musculus Masseter) und ein entspanntes Abschnauben.

 

Folgt man den von Hermann Baum erforschten und beschriebenen Abflussrichtungen der Kopflymphe und verbindet damit die Sinneseinschränkungen durch etwaige Stauungen, ergeben sich folgende Überlegungen:

 

Der Musculus Masseter (Kaumuskel) gilt als der kräftigste (leistungsfähigste Muskel) des gesamten Pferdekörpers. Die Kautätigkeit ist wie die Atmung mehrdimensional und somit hautdehnungsrelevant.

 

Das Abschnauben ist ein hochfrequentes Flattern der gesamten Nüstern, was durchaus der Zitterreaktion des Torsos entsprechen könnte.

 

Induziert das die Witterung begleitende pulsierende Flackern unter der Hautoberfläche der Nüstern auch eine Befeuchtung der Schleimhäute (Nüstern tropfen während des Witterns) und eine Befeuchtung der Faszien zur effektiveren Reizleitung der Sinneswahrnehmungen?

 

Könnten Stauungen der Kopflymphe über Reizleitungsstörungen sogar ursächlich am sogenannten „Gespenstersehen“ (Reaktion des Menschen: „Da ist doch gar nichts!“) beteiligt sein?

 

Manifestieren sich sogenannte Überreaktionen durch Stauungen der Kopflymphe mit Beeinträchtigungen der Sinnesleistungen durch zu eng geschnallte Ausrüstung?

 

Erfährt die Hautdehnung, die durch die Ohrenmotorik lanciert wird, mitunter eine Einschränkung durch zu stramme Genickstücke?

 

Fazit:

 

3. Kommunikation und beobachtbare Verhaltensweisen      

 

3.1 Beobachtungen beim Umgang Mensch und Pferd              Machen  wir  zuwenig richtig?

 

Es besteht ein deutlicher Kommunikationsversuch auf Seiten des Pferdes beim Putzen: viele Putzgegenstände aus Plastik und/oder Gummi werden abgelehnt. Ein falscher Rhythmus oder Intensität werden ebenfalls angezeigt, dabei geben Empfindlichkeiten Aufschlüsse über Befindlichkeiten, auch im Hinblick auf die Zitterresonanz.

 

Die positive Resonanz auf nützliche und nachhaltige Pflegemaßnahmen finden Ausdruck im Abkauen, Abschnauben mit langgestrecktem Hals, Einnehmen einer Dehnungshaltung („hinten raus stehen“, Halsstreckung mit flehmender Unterlippe) und dem Abgasen oder Äppeln, also dem Ausstoß von „Schadstoffen“.

 

Pferde mit guter lymphatischer Lage nehmen gerne eine Sägebockstellung ein. Diese Sägebockstellung steht in keiner Korrelation mit einem vorliegenden Harndrang. Hinterbeine sind nicht breitgestellt.

 

Spaziergänge mit dem Pferd an der Hand erfolgen oft mit nicht angepasster Geschwindigkeit - (zu schnell, zu langsam); 

Dies führt zum Taktverlust und somit zur Störung der den 3 Dimensionen im Schritt angepassten Atmungsdehnung. Unter den 3 Dimensionen verstehen wir die horizontalen, vertikalen und lateralen Körperbewegungen.

Zu beobachten ist hier oft ein Stehenbleiben mit dem Herausstellen einer Hintergliedmaße und ein in dieser Position verweilen wollen,
oft verbunden mit einem „Seufzen“, einer einmaligen schweren Ein- und Ausatmung.

Stresspotential beim Pferd entsteht durch Verhinderung des für das Pferd so wichtigen Umweltabgleichs.

 

Merke :    Im Zweifel hast Du ein Zeitproblem, nicht das Pferd !

 

Im Laufe meiner Beobachtungen wurde ich nicht nur Kontrollinstanz meiner eigenen Handlungen und deren ausgelösten Reaktionen gegenüber, sondern auch Zeuge vieler sich regelmäßig wiederholenden Kommunikationsversuchen zwischen Mensch und Pferd.

 

Dabei erscheinen mit im Hinblick auf diese Arbeit die folgenden Aspekte interessant:

 

Das Absichern der Umgebung, die Einschätzung der Lage und die möglichst uneingeschränkte Funktionsfähigkeit seines Körpers sind für ein Fluchttier Grundvoraussetzung seines Überlebens und Bedingung für einen souveränen Kräftehaushalt.

In Freiheit zeichnen sich Fluchttiere durch große Übersicht und angepassten Einsatz ihrer Kräfte aus.

 

Frage : Wieviele hysterische Rehe sind ihnen im Wald je begegnet ?

 

Der Mensch fordert mit seinem Erscheinen sofortige Fokussierung auf seine Person und damit verbunden Kontrollübernahme.

In der Natur existiert keinerlei Reizüberflutung der Herdenmitglieder durch das „Führungspersonal“ (Leithengst, Leitstute).

Die Leittiere stehen separat.

 

Der Mensch bewegt sich um das Pferd herum mit großem - auch verbalen - Aktionismus und einer Vielzahl von taktilen Reizen.

 

Die Fellpflege unter Artgenossen erfolgt ziel- und zweckgerichtet, wahrscheinlich um Fluchtkonditionen wiederherzustellen
(Zugrichtung auf oberflächennahe Lymphknotenzentren z.B. Hals und Flanke).
Auslösen von Muskelkontraktionen und Hüftbeugung durch das Beknabbern des Schweifes.

 

Manipulationen am Pferdekörper durch Physiotherapeuten, Osteopathen etc. werden durch den Patienten umgehend kommentiert, so dass immer eine Chance auf eine Anpassung der Behandlungsstruktur durch den Behandelnden bestehen würde. Ansonsten erfolgt die Fellpflege durch den Menschen hauptsächlich aus kosmetischen Ansprüchen und stellt überdeutlich den Verlust der Wahrnehmung gegenüber den vom Pferd überdeutlich kommunizierten Bedürfnissen.

Das Zappeln, Scharren, Treten, Schnappen, unkonzentrierte Spielen und Ausweichen oder auch das „Nerven“ resultieren aus der unreflektierten Übertragung persönlicher Eigenheiten, aus wenig Flexibilität in der Abstraktions-fähigkeit und durch ein Übermaß an beurteilender Beobachtung durch den Menschen („Das hat Der/Die immer schon so gemacht!“). Das Pferd erfährt hierbei nicht nur ein durch Ungeduld und Strafen hervorgerufenes psychisches Ungleichgewicht, sondern darüber hinaus das Aushebeln von Dehnungsmechanismen, verbunden mit einem unnötig hohen Muskeltonus für den Zeitraum des Putzens.

 

Merke : Die Zitterreaktion auf das Niedersetzen eines Insekts, die Berührung des Fells mit einem Strohhalm etc. erschüttert physiologisch den gesamten Fluchttierkörper.

 

Daher erscheint es nicht logisch, die vom Pferd gezeigte Abwehrhaltung gegen vermeindlich passende Ausrüstungsgegenstände nicht körperzustandsbezogen zu beachten und zu berücksichtigen. Die Argumentation der diesbezüglich Verantwortlichen („Der Sattel ist angepasst!“ „Der hat keinen Bock zu arbeiten!“ „Die hat einen schlechten Tag“) und maßregelnde Knuffe, Schläge und verbale Ausfallerscheinungen demonstrieren eine reflektionsfreie Ignoranz.
Die Folgen für das Pferd sind erneut physische und psychische Anspannungen und Verspannungen.

 

Merke : Das Pferd hat als Fluchttier naturgegeben großes Interesse an der Ausschöpfung seines Bewegungspotenzials und seiner Bewegungskapazität, um für anstehende Fluchten entsprechend „trainiert“ zu sein.

 

Die bei jedem gesunden jungen Pferd eifrige Bewegungsfreude kann durch Missachtung, Unkenntnis, Ungeduld und Über- bzw. Unterforderung die Wandlung in emsige Kompensation erfahren um den Ansprüchen des Anweisenden entsprechend der Unterordnung Folge zu leisten.

Der Ausprägung durchaus gravierender Missverständnisse zwischen Mensch und Fluchttier liegen offensichtlich unterschiedlich gelagerte Verhaltensmuster zugrunde, die ihren Ursprung in der Zugehörigkeit der biologischen Herkunft finden.

 

So haben Individuen aus jagender Prägung (Mensch) den Hauptfocus ihres Seins im Bereich Dominanz, Aktionismus und zielgerichtete Planung im Gegensatz zum Beutetier, das den Hauptfocus auf dem Umweltabgleich mit hohem Genauigkeitsanspruch für den Erhalt körperlicher Ressourcen hat.

 

 

3.2 Beobachtungen beim Reiten

 

Zitterreflexgehemmte bzw. –veränderte Pferde zeigen unabhängig von reiterlichen Fähigkeiten und Anforderungen ein bewegungseingeschränktes Erscheinungsbild.

 

Im Schritt zeigt sich dies in Form einer niedrigen Frequenz (Daherschleichen) oder einer hohen Frequenz (Zackeln oder Stolzieren) mit hohem oder tiefen Hals, auch eng oder lang aber mit durchhängender Rückenpartie und von hinten betrachtet mit dem Verlust der lateralen Pendelbewegung des Körpers, die normalerweise die treibende Schenkelhilfe vorgeben würde und gleichzeitig Voraussetzung für die entsprechende Atmungsdehnung wäre. Die Schrittlänge ist verkürzt, Kruppe, Schulter und Hals erscheinen in unterschiedlicher (differenzierter) Bewegungsdynamik.

 

Im Trab erscheint der Hals unabhängig von der Haltung (hoch, tief, rund, eng, weit) trotzdem steif bzw. starr. Das Pferd vermittelt den Eindruck, als würden „nur die Füße laufen“, der Schweif wippt auf und ab. Faule und triebige Fluchttiere traben wie auf Sprungfedern aber ohne Raumgriff. Noch fleißig trabende Pferde fallen durch statische Halshaltung und stoßhaftes kurzes Abschnauben ohne Halsdehnung auf. Die reguläre Atmung wird durch „Luft anhalten“ und oberflächliches Atmen beeinträchtigt. Kadenzierte Tritte erzeugen exaltierte bzw. ruckhafte Bewegung der Vorder- und Hinterbeine ohne erkennbaren positiven Spannungsbogen im Körper. Die Mobilität der Kruppe und Hüfte erscheint in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt, der Gluteus med.( oberflächliche Kruppenmuskel ) stellt sich dachförmig dar. Die Hinterbeinmechanik tendiert trotz Gelenkdynamik nach „hinten raus“ und vermittelt einen verzögerten schleppenden Ablauf.

 

Der Galopp stellt sich hölzern, flach und im Hinterbein eher gelaufen als gesprungen dar oder wirkt besonders auffällig mit hoher Kruppe und rotorartigen Schweifpinseln. Bei dieser Art der Ausprägung fällt besonders die Sprunggelenksdynamik auf. Generell ist eine Verkleinerung des Bewegungsrahmens festzustellen. Die Gelenkdynamik nimmt mit der reiterlichen Anforderung zu, eine Rahmenerweiterung bleibt aus.

 

Eine häufig auftretende Bewegungserscheinung ist der mit hoher Kruppe und augenfälliger Schweifmotorik „gelaufene“ Galopp. Verbunden mit der Anweisung („Der muss hinten runter!“) kommt es erneut zu einer Konfrontation zwischen Reiter und Pferd aufgrund der unterschiedlichen Wahrnehmung der Ursache. Der Reiter unterstellt Unwillen, Arbeitsunlust, Faulheit und Widersetzlichkeit.

 

Wäre es unter Berücksichtigung der Lymphabflusswege im Bereich Motor (Hinterhand) des Pferdes denkbar, dass eine derartige Schweifmotorik eher eine Überkompensation einer Art Pumpfunktion ist, die eine Entstauung der vorbelasteten Kruppenmuskulatur und Haut der Kruppe unterstützt, und dass dem Springen mit hoher Kruppe die Bewegungseinschränkung durch flüssigkeitsbedingte Raumforderung zugrunde liegt?

 

Im Halten beharrt das Pferd - auch nach wiederholter reiterlicher Korrektur - auf einer Position mit ein- oder beidseitig nach hinten herausgestellten Hinterbeinen (Dehnungshaltung).

 

Schritt und Galopp haben Taktverlust zu verzeichnen, somit auch verändertes Atmen und eine veränderte Atmungsdehnung zur Folge. Dem Trab liegt als 2-Takt-Bewegung sowieso eher wenig Dehnungskapazität (-potenzial) zugrunde besonders wenn über einen fehlenden positiven Spannungsbogen keine elastische Verbindung zwischen Maul und Hinterhand besteht.

 

Merke :Bei lymphatisch unauffälligen Pferden ist ein Wechselspiel zwischen Spannung und aktiver Dehnung deutlich erkennbar, was zusätzlich von unverkrampften Abschnauben und regelmäßiger (durchaus auch geräuschvoller) Atmung begleitet wird.

 

Die Intensität der Arbeit ist hierbei zweitrangig.

 


Lymphnic - Nicole Bemelmans
nicolebemelmans@lymphnic.com